kik-Filiale (Altona-Altstadt)

Der Preis stimmt nur für den Käufer

Dumpinglöhne und Krebserreger: Ein Blick auf den globalen Sündenregister des Textildiscounts KiK

Erstellt am 24.02.2012, zuletzt geändert am 30.12.2013 | hamburg commercial

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Die Textilkette KiK wirbt wie so viele Discounter mit ihren billigen Preisen. Und wie bei so vielen anderen Discountern gilt auch hier: Der Kunde spart, die Arbeiter_innen in Deutschland und Asien leiden. Gleichzeitig vergrößert das Unternehmen seinen Absatzmarkt – allein in Hamburg gibt es 46 Filialen.

Kann es ein Textilunternehmen schaffen, allein durch geschickte Logistik und eine strikte Organisation der Arbeitsabläufe, seine Ware so günstig anzubieten, dass sich ein Kunde komplett neu einkleiden kann – für nur 30 Euro?
Diese Frage stellen Kritiker_innen nicht nur der Firma KiK, sondern auch ihren Kunden. Und merken an: Ein Discounter, der zum siebtgrößten Textilunternehmen Deutschlands aufsteigt, kann seinen Kundenkreis nicht nur im Bereich der Geringverdienenden oder Arbeitslosen haben. Hier finden sich auch Kunden, die mehr Geld für Kleidung ausgeben und so die ökosozial gerechte Herstellung fördern könnten. Sie sind ein starker Antrieb im „Geiz ist geil“-Motor, der sich mit Dumpinglöhnen und Verletzungen der Arbeitsrechte speist.

Das wahre Gesicht des sprechenden T-Shirts

Der Textildiscounter ist neben Plus, Obi, Kaiser’s und der amerikanischen A&P ein Tochterunternehmen der Tengelmann-Gruppe, die mit 145 Betriebsjahren eines der ältesten deutschen Handelsunternehmen darstellt. Die Inhaberfamilie Haub ist eine der reichsten Familien Deutschlands 1: Geschätztes Privatvermögen 4,2 Milliarden Euro. Aufgrund der niedrigen Ausgaben für Lohn und Beschaffung der Waren häuft sich auch bei geringen Preisen ein großer Gewinn an. Verzichten müssen dafür die Angestellten.

Obwohl bei KiK 14.000 Menschen arbeiten, gibt es bis heute keinen einzigen Betriebsrat. Der Grund hierfür ist die Einstellungstaktik des Unternehmens: Vor allem Auszubildende und Aushilfen arbeiten im Verkaufsbereich. Sie sind billig und zeigen weniger Bereitschaft, ihren Arbeitsplatz zu riskieren, um für einen Betriebsrat einzutreten. Denn ohne viel Berufserfahrung und in unsicherem Beschäftigungsverhältnis fehlt ihnen dafür der Mut. Zudem sind viele nicht einmal über ihre Rechte informiert, sodass sie gar nicht auf die Idee kommen, gegen ihr Arbeitsverhältnis zu demonstrieren.
Auf der Homepage des Unternehmens heißt es: „Die Nachwuchsförderung liegt uns sehr am Herzen, da wir in unseren eigenen Nachwuchs große Hoffnung und viele Erwartungen stecken.“ Die Realität zeichnet ein anderes Bild: Ausbildungskräfte müssen nach Ladenschluss auch noch das Putzen übernehmen, und gegen die massive Unterschreitung der Tariflöhne hat ver.di im Oktober 2007 Strafanzeige gegen KiK Geschäftsführer Stefan Heinig erstattet.

Systematische Diskriminierung der Arbeiter_innen

Bekannt sind nur Produktionsstandorte in China und Bangladesh, vermutlich gibt es aber auch Fabriken in anderen Ländern, die KiK nicht offen legt, um sich möglichen Kontrollen, auch durch Nichtregierungsorganisationen, zu entziehen. Die Clean Cloth Campaign (CCC) brachte 2008 eine Studie raus, welche die Situation der Arbeiter_innen in Bangladesh festhält.2 Sie liest sich wie eine Aufzählung sämtlicher möglicher Verbrechen, die Firmen den Näher_innen antun können: fast jeden Tag unbezahlte Überstunden, spontane Kündigungen, sieben Arbeitstage die Woche, Bezahlung unterhalb des Mindestlohnes, unregelmäßige und verzögerte Lohnauszahlungen, schlechtere Bezahlung der Frauen, Diskriminierung durch die Aufseher bis hin zu Vergewaltigungen in der Nachtschicht, keine schriftlichen Arbeitsverträge, dreckiges Trinkwasser.

Selbst ohne Überstunden arbeiten die Beschäftigten 13 Stunden am Tag, hinzu kommt die Nachtarbeit, von der knapp 90 Prozent der Näher_innen berichten. Auch im Falle eines Brandes hätten die Arbeiter_innen schlechte Karten. Notausgänge, Brandmeldesysteme oder eine Notbeleuchtung finden sich in den wenigsten Fabriken. Außerdem stehen nicht ausreichend Toiletten zur Verfügung oder sie sind so verschmutzt, dass eine Nutzung kaum möglich ist.

Lügen für die Öffentlichkeit anstatt ehrlicher Neuorientierung

Zum Zeitpunkt der Studie arbeitete KiK bereits an einem neuen Image. Für offizielle Kontrollen wurden die Fabriken gereinigt und die sanitären Anlagen auf einen besseren Stand gebracht, auf einmal lag Seife neben dem Waschbecken und die Produktionsräume wurden gelüftet. Die Arbeiter_innen lernten ihre Aussagen auswendig und gaben an, dass sie einen Tag die Woche frei hätten und die Arbeitsverhältnisse ihren Rechten entsprächen.

Die Schulungen, welche angeblich die Fabrikbesitzer_innen dazu bringen sollten, verschärft gegen sexuelle Übergriffe vorzugehen und die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, waren in den Fabriken selbst nicht bekannt oder hinterließen keine Ergebnisse, da die Fabrikbesitzer_innen nur zur Beruhigung der Auftraggeber_innen daran teilnahmen.
Auf der Internetseite des Unternehmens wurde ein neuer Verhaltenskodex veröffentlicht – die englische Fassung hat sich jedoch nicht geändert. Außerdem enthält selbst die neue Version keine Verpflichtung zum existenzsichernden Lohn, lediglich der Mindestlohn wird festgehalten – in Bangladesh zwischen 18 und 24 Euro im Monat. Zum Überleben reicht dies längst nicht aus.

Krebserregende Azofarbstoffe in Kinderunterwäsche

Neben den Missständen in der Beschäftigung und den Produktionsstandorten kommt noch ein weiterer Punkt auf die Liste, derer sich Käufer_nnen bewusst sein sollten: Immer wieder kam es zu Schadstoffskandalen im Sortiment des Textildiscounters.
2009 verurteilte das Amtsgericht Unna KiK zu einem Bußgeld von 35.000 Euro, weil das Unternehmen aus China gelieferte Ware nicht ausreichend auf gesundheitsgefährdende Stoffe untersucht hatte.
Zuletzt rief der Textildiscounter ein Kinderunterwäscheset mit dem Namen „Spiderman“ zurück – es enthielt Azofarbstoff oberhalb der festgelegten Grenzwerte. Azofarbstoffe, mit denen die Arbeiter_innen in Asien hantieren, gelten als krebserzeugend, erbgutverändernd und möglicherweise fruchtschädigend. Dieses Beispiel ist nur das Aktuellste, gerade im Baby/Kind-Sortiment traten bereits mehrfach Fälle von Azofarbstoffen auf.

1 http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,651244,00.html abgerufen am 20.2.2012

2 Erläuternde Vorstellung der Studienergebnisse über KiK von der CCC Die Broschüre ist als PDF-Dokument abrufbar

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Der Preis stimmt nur für den Käufer

Dumpinglöhne und Krebserreger: Ein Blick auf den globalen Sündenregister des Textildiscounts KiK
Karte: hamburg commercial
Autor_in Viviane Petrescu
Veröffentlicht 24.02.2012
Zuletzt bearbeitet: 30.12.2013
Global Link (Geografischer Bezug): Bangladesh; China (Global Links Karte zeigen)
Adresse: kik-Filiale, Louise-Schroeder-Straße 25A, Altona-Altstadt, 22767 Hamburg
Koordinaten (Lat/Lon) 53.55118/9.950410

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Weitere Informationen und Filme gibt es bei NDR Panorma: http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2012/textiltod101.html

Brand in pakistanischer Textilfabrik

Brand in pakistanischer Fabrik. Kik zahlt 1930 Dollar für ein Menschenleben. Artikel von Hasnain Kazim und Nils Klawitter in Spiegel-Online, 23.10.2012:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/brand-in-pakistanischer-fabrik-textildiscounter-kik-will-zahlen-a-862695.html

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